??? Das Wesen eines Pferdes hat meines Erachtens eher wenig mit der Rasse oder der Zuchtrichtung zu tun.
Ich hatte einen sehr kernigen Haflingerwallach, während meine Freundin eine stoisch ruhige Haflingerstute besitzt. Mein Araber, der ingezogen auf Bajar war, konnte stur und schwierig im Umgang sein, während unser Shagya-Araber Shareer trotz seiner 20 Jahre und der beginnenden Blindheit ein überschäumendes Temperament besaß, obwohl er in der Arbeit sehr kooperativ und leistungsbereit war. Ich kenne hypernervöse Takis und solche, die man aus ihrem Dornröschenschlaf erst wachküssen muß, wenn man sie reiten will. Ich hatte viele Jahre sportliche Erfolge bis L/M mit meinem Halbblüter, aber genau so oft wurden wir wegen Ungehorsam aus dem Viereck geklingelt. Abenteuer hingegen ist immer die Zuverlässigkeit in Person wenn das Glöckchen klingelt und so half er schon vielen jungen Reitern zum Abzeichen. Ich habe Islandpferde geritten, die waren sehr flott unterwegs und solche, da fielen einem beim Treiben die Beine fast ab. Ich kenne Züchter, die sich dem Lippizzaner verschrieben haben - nicht jeder eignet sich aber für die hohe Schule und die Shirehorses unserer Freunde sind so unterschiedlich im Charakter, den Rosi ist ein Kuschelkind und Double D sehr selbstbewusst. Ich kannte einen PRE-Hengst, der war wie ein Wallach und ich kannte einen anderen, der tobte in der Box, wenn jemand nur nach Stute roch. Ich könnte die Liste endlos weiterführen.
Fakt jedoch ist, das Wesen eines Pferdes wird von seinen Ahnen, von seinem Geschlecht und sicher auch vom Umgang mit ihm - beginnend bei der Aufzucht bis hin zur Ausbildung, bestimmt.
Und gerade die Abstammung bei den Arabischen Rassen empfinde ich als unterschiedlich sehr prägend. Den Zuchtversuch des Arabohaflingers hat man abgebrochen, weil die dazu benötigte Fuchslinie sich in Kombination mit den Haflingern als charakterlich schwierig erwiesen hat. Allerdings gab es trotzdem ein paar sehr gute arabisierte Blonde, die der Regel widersprachen. Man wird sehen, wie der Zuchtversuch beim Quarab sich entwickelt.
Durch meine Ausbildung in Marbach habe ich viel über Araber und die Weil-Marbacher Zucht erfahren dürfen. Mein Favorit war immer der schwarze Gharib und der übergoß noch seine Trakehner Enkel und Urenkel mit dem arabischen Flair. Holunder zum Beispiel, Vater unserer Fleure Belle läßt immer wieder den Araber durch, obwohl er als Sohn des Polargeist und Enkel des Dämon den legendären Gharib erst in 4. Generation führt. Auch Caroll, ein weiterer Polargeist-Sohn in der Trakehner Zuchtpopulation macht seinen Kindern typvolle Gesichter und den arabischen Überguß. Ein weiterer Polargeist-Enkel war unser Polar-Kristall. Obwohl er nur noch verschwindende Prozente an Arabergenen aufweist, so verkörpert er doch viel mehr den Pleasure, als z.B. unser Juanito, der als Pleasure eingetragen und gekört war und bei dem man den Eindruck gewinnen konnte, dass er bestenfalls mal im Stall eines Arabers gestanden hatte, denn er wirkte vom Gebäude und im Typ eher spanisch als arabisch. In Marbach deckte auch eine Zeitlang der braune, polnische Hengst Halef. Auch er war rein äußerlich doch eher der englische Steepler, als das klassische Bild des OX. Aus diesem Grund wurde er auch nach kurzer Zeit von Hadban Enzahi abgelöst. Der letzten Araber, den ich in Marbach absamte war Pamir, den ich sehr mochte, denn er war ein sanfter Gentleman, der immer rücksichtsvoll zu den Menschen war und ein freundliches Wesen besaß. Der Hengstwärter hingegen mochte den Hengst gar nicht und sagte:" Nur ein toter Araber ist ein guter Araber!" Als ich Oberon gekauft hatte - einen O´Bajar-Sohn der ingezogen war auf Bajar, schwor ich mir, daß ich im Falle seines Ablebens sein Fell über unseren Kamin nagele, versehen mit einem Messingschild auf die ich diesen Spruch eingravieren lasse ... man kann unschwer daran feststellen, wie mein Verhältnis zu dem Schimmel war. Er kam 7-jährig zu uns und war von Kindern (v)erzogen worden.
Sicher gibt es ein Zuchtziel, das wir anstreben, aber Zucht ist nicht immer voraussehbar und so kann selbst in der Anpaarung zweier hochprozentiger Pleasures eine Uroma das Fohlen prägen - in Charakter und im Äußeren. Gerade in Farbzuchten, die meist auf rassefremden Farbgeber aufbauen, ist das Risiko des Rückschlagens auf die Ausgangsrasse immer vorhanden. In Holland war die Ausgangsrasse für den Pinto-Hunter das Groninger Wagenpferd und Sambuco konnte in Anpaarung an kaum veredelte Hannoveranerstuten ziemlich kalibrige Fohlen produzieren. Er brauchte, wie sein Vater Samber, noch immer Stuten mit viel Blut, obwohl er selbst bereits ein Halbblüter war und den Groninger nicht mehr erkennen ließ. Wir selbst kauften einen Samber-Sohn aus einer hannoversch gezogenen Lanthan/ San Fernando-Mutter. 3-jährig sah er aus wie ein Kaltblüter! Selbst seine Bewegungen waren wie die eines Tuigpaard und so wurde er in Deutschland nicht gekört und wir verkauften ihn nach England, wo er auf eine Basis von Vollblutstuten traf.
Beim Pinto-Pleasure ist das Bild noch immer uneinheitlich. Es gibt Araberpintos, die fast 100% Araberblut führen, aber noch immer kommen eben auch Stuten zum Einsatz, die nur 25 % Araberblut führen und zu 75 % Warmblutlinien im Pedigree aufweisen oder es werden Araberstuten mit Warmblutschecken angepaart. Die Fohlen die sich in den Pleasure-Ringen der Zuchtschau messen, könnten teilweise äußerlich nicht unterschiedlicher sein. Dazu kommt, dass wie im Fall Juanito noch immer Altlasten in der Pleasure Zucht sind, die aus der Zeit resultieren, in der es noch kaum Araberpintos gab und so war man froh, wenn wenigstens in 3. Generation ein ox war.
Wie soll nun das Wesen dieser Pferde pauschalisiert werden, wo sie so unterschiedlich in der Blutführung sind?
Das Ideal ist bei allen Reitpferden das Gleiche: Ein freundliches und dabei intelligentes, leichtrittiges Pferd, das leistungsbereit und charakterlich einwandfrei mit ausgeglichenem Temperament ausgestattet, seinem Reiter unter dem Sattel einen vielseitig orientierten Reitkomfort bietet.
Ich kenne viele Pferde unterschiedlichster Rassen und Zuchtrichtungen, die dem entsprechen. Aber genau so viele entsprechen dem Zuchtziel nicht, weil man ihre Sensibilität - die vor allen und nun mal fast jedem Edelpferd in den Genen steckt - nicht zum Vorteil des Reiters nutzt, sondern im Hauruck-Verfahren versucht das Pferd „gefügig" zu machen. Und so erhielten englische Vollblüter, Araber, Halbblüter, Angloaraber und Trakehner schnell den Ruf schwierig zum Reiten zu sein. Es passt halt nicht jeder Reiterhintern in den Sattel eines Edelpferdes. Nur ist es eben auch enervierend wenn man einen „Kalten" reitet, den man manchmal nur schwer motivieren kann (wobei Ausnahmen auch hier die Regel bestätigen). Und so ein Pferd, gleich welcher Rasse, unter dem Sattel eines ehrgeizigen Reiters, wird irgenwann auch einmal auf stur stellen oder versuchen, den so unbequemen Gast im Sattel los zu werden.
Aber auch die Hormone von Hengst oder Stute können auf die Reiteignung und das Wesen des Pferdes Einfluss ausüben. Stuten gelten als zickig und Hengste als dominante Matchos. Hier verlangt es auch wieder das Einfühlungsvermögen des Ausbilders, sich das Pferd zu formen, um so die scheinbar negativen Eigenschaften zum Vorteil zu machen, denn Hengste lernen auch sehr schnell und hat man sie einmal für sich gewonnen, dann sind sie ein Freund fürs Leben. Und Stuten sind Kämpfer mit viel Herz - das beweisen die Stuten im großen Springsport - wenn man sie beschäftigt und mit ihrem Zyklus zurecht kommt.
Aber immer sollte man, egal welcher Rasse oder welchem Geschlecht ein Pferd angehört oder für welche Reiteignung es empfohlen wird, bedenken, dass jedes Pferd ein Individuum ist, das sich nicht in eine Schablone pressen lässt, die wir ihm vorzugeben versuchen.
LG
Sabine
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Antoine De Saint-Exupéry