Dieses Forum soll allen Pintofreunden eine Möglichkeit bieten, sich zu treffen und auszutauschen.Wir wünschen viel Spaß dabei!
Wir bitten alle User dieses Forums die üblichen Regeln des guten Miteinanders einzuhalten. Ansonsten wird konsequent gelöscht. Über den Button "Beiträge der letzten Tage" erhalten sie eine Übersicht der aktuellen Beiträge. Als Gast haben Sie nur verminderte Leserechte. Melden Sie sich daher an und vervollständigen Sie unbedingt ihr Profil. Erst dann können Sie an Diskussionen teilhaben, lesen und beachten Sie unsere Info + Regeln zum Forum ,dort wird auch Ihre Gruppenzuordnung nebst Rechten erklärt.
Viele Turniere sind es gewesen, an denen ich in Ircos Sattel Platz nehmen durfte und Enttäuschungen wurden mir nicht erspart, denn die meisten Richter taten sich schwer, eine „Dressur-Kuh“ fair zu bewerten, weil schließlich die regionale Meinung besteht, dass ein Dressurpferd eben dunkel und möglichst abzeichenlos zu sein hat und Exoten bestenfalls in den Zirkus gehören. Basta! Die nettesten Bemerkungen waren noch: „Mädchen, Du verschwendest doch Dein Talent an das Pferd“ oder „Mädchen, Du bist doch kein Indianer!“ – die Unnetten mag ich gar nicht wiederholen. Einmal griff mir sogar ein Messebesucher in den Zügel, packte Ircos Maul, öffnete es, schaute hinein und sprach: „Wieso reiten Sie denn ein Westernpferd mit einer Dressurkandare?“ Es gab Prüfungen, bei denen ich mit einem sensationellen Gefühl aus dem Viereck ritt, das Publikum applaudierte, die Konkurrenz nervös zur Startertafel blickte, um zu erfahren, welche Note, wir erhalten hatten und ob wir sie damit aus der Platzierung schubsten und als dann eine wahrlich unterirdische Bewertung erfolgte, die Zuschauer mit Buh-Rufen kund taten, dass sie die Note nicht gerechtfertigt fanden und die Mit(st)reiter, welche die Bekanntgabe des Ergebnisses verpasst hatten, mich fragten, warum ich denn mein Pferd verlade, wo doch gleich die Platzierung beginnen würde. Es gab Prüfungen, da brauchten die Richter nur bei uns scheinbar endlos lange, um zu einer Urteilsfindung zu kommen – lag es daran, dass sie die Ergebnisliste noch einmal durchgingen uns schauten, mit welcher Note sie uns abfinden konnten, die zwar nicht zu tief, aber auch nicht hoch genug sein sollte, um die Ehrenrunde mitreiten zu können, weil ein Indianerpferd in einer Dressurplatzierung einfach nicht geht? Es gab auch Prüfungen, die ich versemmelte, weil ich mich unbedingt mit einer Grippe und 39 Grad Fieber zum Wettbewerb um die gelbe Schleife des Sieges bewerben musste, aber wenn man eben im Sattel hängt wie ein Schluck Wasser in der Kurve, dann kann sich das Pferd noch so bemühen, dann sieht das eben nicht nach einer dynamischen und aktiv gerittenen Aufgabe aus und als die Richter mich schalten: „Hätten sie mal ein bisschen auf ihr Pferd eingewirkt, dann hätten sie das Ding hier gewonnen!“ und ich kleinlaut antwortete: „Ich fühle mich nicht so wohl heute“, da donnerte einer von ihnen: „Dann bleibt man zuhause im Bett und lässt das Pferd im Stall!“ – Wie recht er hatte, aber trotzdem war ich meinem Hengst dankbar, denn das was er zeigte, war wohl überzeugend gewesen, obwohl ich lediglich als Ballast oder als Passagier im Sattel saß, sonst hätte der Richter nicht festgestellt, dass wir hätten gewinnen können. Es gab aber nur eine einzige Prüfung, in der ich Irco den Vorwurf machen musste, dass er die Aufgabe und die erhoffte Schleife verbockte und auch da konnte er nur bedingt etwas dafür, denn im Vorraum zur Halle, wo wir auf unseren Start warteten, stand ein Zwangsstand über dem ein Solarium angebracht war und unter dieser Höhensonne stand eine Stute zum Trocknen. Irco, der Zwangsstände natürlich aus der Deckstation kennt und weiß, dass wenn sich darin „nackige“ Stuten befinden, diese nur zu dem Zweck darin angebunden worden sind, tragend zu werden und ihn zu animieren, seinen Dienst am Phantom abzuleisten, freute sich sichtlich über den, wie er annahm, Zeitvertreib nach seinem Gusto. Ein Phantom war zwar nicht da, aber Zwangsstand und die Stute reichten auch, um Ircos Assoziation zu seinem Job als Deckhengst zu wecken. Leider vergaß er mich dabei und begann zu wiehern, zu tänzeln, auszuschachten und ich vermute, er war kurz davor den Stutenständer zu entern, doch da öffnete sich das Hallentor und ich schaffte es gerade noch so, ihn in das Prüfungsviereck zu treiben, bevor er der Stute seine Liebesdienste offerieren konnte. Für mich war das Turnier eigentlich gelaufen, denn mit dem aufgedrehten Hengst glaubte ich keinen Blumentopf mehr gewinnen zu können, dass es trotzdem fast gereicht hätte, zumindest noch eine grüne Schleife zu ergattern, lag an ihm, aber dass wir es nicht schafften eben leider auch. Jedenfalls besann sich Irco zwar pflichtbewusst auf seine Aufgabe als Reitpferd, aber die Aussicht, nach dem Ritt, die Stute draußen doch noch zu vernaschen, schien seine Schritte dann doch zu beflügeln, denn nie zuvor hatte ich dieses Gefühl in seinem Sattel, welches er mir damals vermittelte – er schwebte, er brillierte, er wuchs über sich hinaus und in der Versammlung fühlte ich, wie er sich setzte und in vollendeter Kadenz zog er mich tief hinein, sodass ich förmlich mit ihm zu verschmelzen schien zu einem einzigen Wesen, dem es heute möglich war, nach dem Sieg zu greifen. Die Lektionen spulte er sicher ab, der Mitteltrab war bis zum letzten schwungvollen, weitausgreifenden Tritt taktrein und ich spürte bei ihm zum aller ersten Mal, was es bedeutet, wenn er den Motor in der Hinterhand anwirft und Tragkraft und Schubkraft zur Vollendung erhoben werden. Waldemar Seunig war es, der das Reiten so beschrieb, wie ich es in jenem unvergesslichen Moment empfand: „Reiten ist das Zwiegespräch zweier Körper und zweier Seelen, das dahin zielt, den vollkommenen Einklang zwischen ihnen herzustellen.“ Oh ja, Herr Seunig, ich weiß nun ganz genau, was Sie meinten. Und es wäre ein wahrlich glanzvoller Auftritt gewesen, wenn ... ja wenn Irco nicht jedes Mal, wenn wir an der kurzen Seite, dort wo er hinter dem Tor die Stute wusste, den Kopf gehoben und zu ihr hinaus trompetet hätte, als wollte er ihr zurufen: „Warte noch Schätzchen. Ich komme gleich. Ich bin hier gleich fertig. Nur noch vier Runden ,,, noch drei, noch zwei, noch eine ... ich bin sofort bei Dir!“ Die Richter äußerten sich begeistert und wieder hieß es: „Sie hätten das Ding hier gewinnen können, aber der Ungehorsam des Pferdes ... das tut uns wirklich leid, aber wir können dafür keine Note geben.“ Ich glaube das war auch das aller erste Mal und auch das aller letzte Mal, dass ich meinen Hengst zu einem Mitarbeitergespräch auf einen vom Turnierplatz entlegenen Waldweg zitierte und ihm herzhaft die Gerte über den Hintern zog – hinterher tat es mir leid, aber Irco hat es sich auf jeden Fall gemerkt, dass die sonst so friedfertige Menschenfreundin ziemlich garstig werden kann, wenn man sich von den Hormonen regieren lässt, solange man einen Sattel und einen Reiter im Kreuz trägt, denn nie mehr gab es diesbezüglich zwischen uns Differenzen und den Gertenhieb hat er auch – entgegen seiner sonst so zickigen Art, schon einen Gang schneller einzuwerfen, gegen das Gebiss zu steuern und mit dem Schweif zu schlagen wie ein Hubschrauberrotorblatt, sobald man ihn nur mit dem Taktstock berührt – mannhaft und als gerechtfertigt akzeptiert. Er machte da auch wirklich immer Unterschiede, ob er die Schelte oder Strafe als verdient bewertete, oder ob er sie als ungerecht empfand, denn dann drehte er erst so richtig auf, wie damals als ein Bereiter sich an ihm versuchte und ihm abgewöhnen wollte, beim Handwechsel auch einen Fußwechsel im Galopp zu springen. Irco hatte das in seiner Zeit als Springpferd gelernt und war oft dafür gelobt worden, weil er ein „Naturwechsler“ war, der nach jedem Hindernis immer auf dem richtigen Fuß landete und wenn sich die Richtung änderte, sofort umsprang und so empfand er es auch als richtig, dass er das weiterhin macht. Doch als in der L-Dressur der Kontergalopp dazukam, sollte er nun auch im Außengalopp lernen zu galoppieren, ohne einen fliegenden Wechsel zu springen und das passte mit dem, was auf seiner Festplatte gespeichert war nicht zusammen und war für ihn auch nicht kompatibel, weshalb er sich auch eisern zur Wehr setzte, als der junge Mann ihn immer wieder zwang, falsch – wie Irco das empfand – anzugaloppieren. Irgendwann dachte er sich dann aber wohl doch, dass der Klügere eben nachgibt und von da an konnte er im Kontergalopp auf dem Dessertteller galoppieren ... nur mit dem Angebot der fliegenden Wechsel war es gleichzeitig auch vorbei, denn die weigerte er sich nun auszuführen und sein Argument war wohl: „Nun müsst ihr Euch mal entscheiden, was ihr wollt, denn wenn ich den Wechsel anbiete, haut mich so ein Typ, weil ich das tue und jetzt, wo ich es nicht mehr tue, ist es auch nicht recht, weil ihr nun wieder wollt, dass ich Galoppwechsel springe. Bevor ich nun aber wieder Haue bekomme, möchte ich nun eine klare Ansage: Was wollt ihr denn nun, was ich tun soll? Fliegend wechseln oder gar nicht wechseln?“ Vielleicht war das auch Ircos einziges Problem, denn als echter Westfale war er etwas stur und nicht immer flexibel, einmal getroffene Entscheide zu revidieren. Also ließen wir die Fliegenden eben weg und beschränkten uns auf die L-Aufgaben, in denen er nicht verlangt wird, denn fortan fanden wir auch wieder die gleiche Wellenlänge und es war wieder die reine Freude, Irco zu reiten, weil er einem eigentlich immer alles bereit war zu schenken und auch wenn seine Kompromissbereitschaft nicht so ausgeprägt war, profitierte ich dennoch von seiner Kontinuität, weil er alles was er begriffen hatte, auch wie eine gut programmierte Maschine stets zum Abruf bereit stellte und ich behaupte, dass man ihn nach dreimaligem Üben einer Aufgabe auch ohne Reiter ins Viereck hätte schicken können und er hätte jede Lektion an der richtigen Stelle ausgeführt. Besonders in den Musik-Küren schätzte ich sein Computergedächtnis sehr, weil er mir sogar aus der Patsche half, wenn ich den Weg mal vergaß und er trotzdem den richtigen einschlug. Mit einer Kür hatte auch die Prüfung zu tun, die ich wohl nie mehr in meinem ganzen Leben vergessen werde und die in unsere Familienanalen einging und jedes Mal wenn im Radio die Gruppe Fools Garden ihr Lied Lemon Tree singt, grinsen Micha und ich und fragen auch meist gleichzeitig: „Weißt Du noch damals ... die Kür mit dem Zitronenbaum?“ Ich liebte es immer schon, eigene Dressuraufgaben zu kreieren und zu reiten, in denen die Stärken des Pferdes zur Geltung gebracht werden können und die passenden Klänge mit dem Ritt zu einer Einheit choreographieren zu dürfen, machte mir große Freude. Micha unterstützte mich bei jeder Kür, die ich erarbeitete immer mit Feuereifer und schon alleine dafür verdient er den von mir verliehenen Titel des besten Ehemannes von allen auf jeden Fall. Wer aber schon einmal einen solchen Musikritt zusammenbastelte, der weiß, dass das nicht einfach ist, denn zum einen darf man das zeitlich begrenzte Limit nicht überschreiten, welches vorgegeben ist und das meistens bei vier Minuten liegt, zum anderen müssen aber alle Lektionen, welche in einer Aufgabe der jeweiligen Klasse vorgeschrieben sind und möglichst perfekt beherrscht werden sollten, auch in der selbst erdachten Kür vorkommen, wobei die meisten Dressuraufgaben fünf Minuten dauern und damit schon mal eine Minute fehlt und die kann ziemlich lang sein, wenn man sie nicht zur Verfügung gestellt bekommt und nun verzweifelt bemüht ist, die vielen Lektionen in die immer zu kurze Zeit einzubauen. Das nächste Problem ist, dass das Ganze ja auch harmonisch aussehen soll und man möglichst das ganze Viereck auszunutzen angehalten wird, was eben auch wieder viele zusätzliche Meter bedeutet, die man zurücklegen muss, ohne dass man aus Zeitnot durch die Prüfung schießt, wie der Roadrunner, nur um rechtzeitig vor Ende der vier Minuten den Punkt x wieder zu erreichen, auf dem man in der Regel zur Schlussaufstellung anhält. Soweit ist das Erarbeiten solcher Aufgaben schon recht anspruchsvoll, aber die Finesse kommt ja erst noch, denn die Prüfung heißt ja Dressur-Kür und das bedeutet, dass nun auch noch die zu der gerittenen Vorführung passende Musik unterlegt und zusammengeschnitten werden muss. Dazu ist es aber wichtig, dass man nicht nur ein Liedchen aussucht, das man während des Rittes herunterdödeln lässt – obwohl ich das auch schon oft sah, aber mit Choreographie und Küraufgaben hat das für mich nichts zu tun, wenn jemand das Ave Maria anstellt, wenn das Pferd zur Grußaufstellung bei x hält und es einfach wieder ausschaltet, wenn nach vier Minuten der Punkt x wieder erreicht wurde, während es dazwischen einfach vor sich hindudelt und eigentlich vom Gefühl des Betrachters gar nichts mit dem Ritt zu tun hätte, wenn es nicht fast wie ein Zufall zur gleichen Zeit liefe. Nein, ich bin da sehr ehrgeizig und mein Mann ist es auch und gemeinsam suchten wir immer exakt die Stücke aus, die zum Takt jeder Gangart passen und sich harmonisch zu einem Ganzen zusammenfügen, denn natürlich werden Melodien aus dem Musikantenstadel, kombiniert mit Heavy Metall-Klängen eher meistens von den Juroren als disharmonisch empfunden. Bevorzugt werden auch Instrumentalstücke ohne Gesang, denn die Musik soll Untermalung sein und nicht durch einen anspruchvollen Text von der eigentlichen Vorführung ablenken. Mir persönlich gefallen die Melodien aus dem Phantom der Oper, denn sie haben Spannung, Dramatik und Rhythmus und es gibt Stücke, welche im Takt sehr gut zum Trab passen, wie „Masquerade“, ruhige Passagen, bei denen der Viertakt des Schrittes Unterstützung findet, wie das „Prelude“, und aufbrausende, bei denen man im Galopp auch mal an Rasanz gewinnen darf, wie das Titellied „Phantom of the Opera“, und die ich immer für den Mittelgalopp aussuchte, während ich für die Versammlung die getragenen Momente herausschnitt, wie „Angel of Music“ – was also beim Zusammenstellen der Musik bedeutet, dass man teilweise Reprisen von Sekunden mit Klängen und Tönen untermalen muss, aber gleichzeitig darf das Gleichmass des Flusses nicht unterbrochen werden, mit der die Musik den Ritt begleiten soll. Dafür gibt es auch nur den einen Weg, dass man weiche Übergänge ausklingen lässt und in die nächste Tonfolge überführt, ohne dass es beim Abspielen abgehackt wirkt, sondern den Eindruck eines Meadleys von Stücken vermittelt, die in einander übergleiten, wie die Lektionen und die Wechsel der Gangarten des Pferdes. Da aber von den Richtern auch immer A und B-Noten vergeben werden, tut man gut daran, nicht nur dem eigenen Musikgeschmack zu frönen, denn mit Andrew Lloyd-Webbers Musicals kam ich auch nie unter die ersten Fünf, sondern Titel zu verwenden, die auch einem älteren Herrn noch gut ins Ohr gehen – ich machte nämlich gleich zu Anfang meiner eher zweifelhaften, weil auch nicht vom übermäßigen Erfolg gekrönten Kür-Karriere den Fehler, dass ich mit Melodien aus dem Boxer Film Rocky mit Sylvester Stallone einritt und aus den Lautsprechern die Bässe wummerten, als „The Eye of the Tiger“ losdröhnte, wobei den Herren Juroren dann fast das Hörgerät übersteuerte und an ihren vergrämten Gesichtern sah ich, dass diese „Negermusik“ nicht ihren Geschmack traf und ich mit Mozart, Händel, Schubert oder Beethoven vermutlich mehr Punkte erhalten hätte. Aber weil alle Teilnehmer beim nächsten Wettbewerb mit Klassik auftraten, als ich mich für Ballettouvertüren entschieden hatte und zu Schwansee und dem Nussknacker ritt, was dann im einheitlichen Klang aller Ritte auch keine Wurst mehr von der Bemme riss und mir auch keine der begehrten Schleifen einbrachte, beschloss ich wieder etwas zu wagen und wählte Synthesizer-Musik der CD Equinoxe von Jean-Michel Jarre aus. Dass meine Auswahl von Kompositionen elektronischer Musik auch diesmal niemanden vor Begeisterung vom Sitz katapultierte, merkte ich schon bei den ersten Trabtritten, zu denen fast sphärische Töne anschwollen, um anschließend in fremd und verzerrt klingenden, an ein Echolot erinnernden und doch auf ihre besondere Art und Weise melodisch klingenden Geräuschen fast seufzend im Nichts zu verhallten. Doch gerade, wenn die letzten Vibrationen der Tonkunst sirrend zu vergehen drohten – was vielleicht einige hofften, die meine gewählte Melodie nicht als solche und schon gar nicht als Ohrenschmaus empfanden – hämmerten rhythmische Schläge, wie aus einem Morsegerät gesandt, und spielten auf zu einer neuen Tonfolge. Als Gegner von meditativer Musik konnte man vielleicht den Eindruck gewinnen, man hätte gerade dem ersten geräuschintensiven Funkkontakt zu den Marsmenschen beiwohnen dürfen und als Befürworter glaubte man hingegen, den Tönen von Äolsharfen gelauscht zu haben, die aus den Galaxien des Universums über Mittelwelle direkt zum Turnierplatz übertragen wurden. Vielleicht konnte man es auch mit Walgesängen vergleichen, nur dass meine Kürmusik auf die Richter und Zuschauer eher nicht beruhigend und entspannend zu wirken schien, sondern sie wohl eher eine Assoziation zum Erleben einer Unterrichtsstunde in experimenteller Musikgestaltung einer Waldorfschule dabei herstellten. Nach dieser Expedition in die Welt der Synthesizer-Musik, gab ich noch ein Debüt mit dem „Dance Macabre“ für die Galopptour, dem „Ritual Fire Dance“ für den Trab und dem Bolero für den Schritt, aber derart morbide Totentänze und rituelle Feueranbetungen fanden auch nicht den Zuspruch der Notenvergeber, denn die schaurigen Klänge passten wohl doch eher zu einem Gruselfilm im Spukschloss oder zur Geisterbahn als zu einer Dressurprüfung und dass sie zu den Klängen des Bolero von der rassigen blonden Traumfrau Bo Derek träumten und nicht von der moppeligen, straßenköterbraun behaarten Sabine Bröckel die Ernüchterung vorgelebt bekommen wollten, das sah ich ja auch ein und darum kehrte ich wieder zu der instrumentalen Variante von Kuschelrock zurück und riskierte höchstens mal noch Rock goes Classic mit dem Londoner Sinfonieorchester. Doch der wirklich aufwändigste Teil beim Erstellen einer Musik-Kür ist nicht die Geschmacksfrage, die geklärt werden muss und die dem entsprechende Nutzung von Tonträgern, auf welcher man das passende Repertoire hören kann, sondern die fast schon hochmathematische Aufgabe herauszufinden, wie lange das eigene Pferd braucht, um zum Beispiel eine Volte zu traben, welche mit einem Durchmesser von acht Metern vorgegeben wird, oder um zu errechnen, wie viel Zeit eingeplant werden muss, um eine vierzig Meter lange Seite des Dressurvierecks entlang zu galoppieren, denn nach diesen Zeitvorgaben muss man die Musik schneiden, da selten ein Stück nur fünfundzwanzig Sekunden dauert, was ungefähr einer ganzen Bahn im Galopp entspricht. Natürlich muss man nicht für jede Lektion ein anderes Musikstück unterlegen, aber ich finde, die Dynamik der Verstärkungen sollte sich schon auch in den Klängen wiederfinden, welche sie begleiten und wenn man im Trab beginnt, dann vielleicht in den Schritt wechselt, um daraus anzugaloppieren und dann im Trab endet, dann sind das schon alleine vier Musikwechsel, denn ein Walzer ist halt ein Dreitakt und geht nicht zur Trabreprise, welche den Zweitakt fordert, sondern nur zum Galopp und darum kann man auch nicht einfach zwei Minuten Schrittmusik im Viertakt aufnehmen, weil das gerade mit dem ausgesuchten Stück übereinstimmt, wenn man höchstens achtunddreißig Sekunden davon braucht. Nun gibt es Bücher, in denen steht, dass eine ganze Bahn im Schritt sechzig Sekunden benötigt und ein Zirkel fünfunddreißig Sekunden, weil hundertzwanzig Meter im Schritt einen Zeitaufwand von einer Minute erfordert. Im Trab ist man etwas schneller unterwegs, denn um hundertzwanzig Meter zurückzulegen, was einer ganzen Bahn bei einem Viereck in der Größe 20 x 40 m entspricht, braucht man nur fünfunddreißig Sekunden, für den Zirkel nur zwanzig Sekunden und im Galopp da ist man lediglich fünfundzwanzig Sekunden unterwegs, um einmal die ganze Bahn zu umreiten und den Zirkel schafft man sogar in gerade mal vierzehn Sekunden. Aber was nutzen all diese Vorgaben, wenn der Takt und der Raumgriff des Pferdes nicht in diese Regelmaße passen? Also ritt ich die Kür zuhause auf dem Reitplatz, den ich mir auf exakt die 20 x 40 m kürzte, und Micha filmte mich dabei mit der Videokamera, damit wir dann anschließend mit der Stoppuhr die Reprisen bis zum jeweiligen Wechsel der Musik vor dem Fernseher messen konnten. Ich gebe zu, dass ich mich oft fragte, ob der immense Aufwand, den wir betrieben, wenn wir nun zum Beispiel exakt eine Minute und acht Sekunden Galoppmusik aufnahmen und dabei darauf achteten, dass die einzelnen Stücke nicht holpernd und disharmonisch an einander gereiht wirkten, sondern weich und kaum wahrnehmbar in einander überglitten, sich überhaupt lohnte, weil ich genau so oft, wie ich eine Kür-Prüfung nannte, auch feststellte, dass die Choreographie deutlich weniger Gewicht in der Notenfindung einnahm, als der Ritt an sich und wenn dann mal wieder das im Hintergrund säuselnde Ave Maria gewann, weil es eben sehr viel einfacher ist, eine Aufgabe konzentriert auf das Pferd, die Hilfen und die Prüfung durchzureiten, ohne darauf zu achten, dass man beim Wechsel des Rhythmus auch den richtigen Punkt im Viereck erreicht hat, um die Gangart zu wechseln, als wenn man versuchen muss nicht nur die Lektionen möglichst perfekt, sondern sie auch noch zum passenden Zeitpunkt auszuführen, nämlich dann, wenn nicht nur der richtige Buchstabe erreicht ist, an dem die Lektion stattfinden soll, sondern auch der richtige Ton der Musik, die sie ankündigt. Das Gefühl, sich verrechnet zu haben kann dann besonders frustrierend sein, wenn Musik und Ritt perfekt harmonierten und den gleichen Takt und Rhythmus fanden und man dann irgendwo zwischen Bahnpunkt C und Bahnpunkt A merkt, dass für fünfzig Meter Strecke, die noch vor einem liegen, bis man x und damit die Schlussaufstellung erreicht hat, nur noch für dreißig Meter Musik übrig sind und dann nach achteinhalb Sekunden der finale und fulminant gewählte Schlussakkord erschallt, während man sich die restliche, in Totenstille gehüllte Zeit von sechs Sekunden bemüht, möglichst unauffällig und dann halt auch ohne untermalende Töne die Erlösung von der Schmach versprechende Mitte aufzusuchen – sechs Sekunden können dann endlos lang sein, wenn einem jeder anstarrt und grinst, weil jeder weiß, dass man sich um eben diese lausigen sechs Sekunden verrechnet hat, die einem nun den Schweigeritt bescherten, der so nun ganz sicher nicht geplant war. Als darum die Ausschreibung für eine Dressur-Kür der Klasse L in der Reitsport Weser Ems stand, zögerte ich, sie zu nennen, denn eigentlich hatte ich wenig Lust, den ganzen Aufwand zu betreiben, um dann wieder geschlagen von einer Ave Maria -Reiterin aus der Platzierung zu rutschen – erste Reserve war sowieso eine Art Dauerabo bei mir und darum wollte ich schon eine Selbsthilfegruppe oder den Club „Um einen raus“ gründen, damit wir in Gruppengesprächen den Frust der knapp verpassten Platzierung aufarbeiten könnten, denn manchmal entlastet es ja, darüber zu sprechen, was einen ganz besonders ärgert. Aber dann entdeckte ich im Reitsportgeschäft eine CD mit fertigen Musikküren für die Klasse L! Der Preis war eigentlich geradezu lächerlich und die Investition schien mir eine absolut Vernünftige zu sein, ersparte sie mir doch Stunden und Tage von Arbeit und darum kaufte ich sie auch. Zuhause packte ich meinen Schatz aus, legte ihn in die Stereoanlage und lauschte den Varianten, welche die Disk im Angebot hatte. Weil ich das Lied Lemon Tree von Fools Garden sehr mochte und mir der beschwingte und ins Ohr gehende Rhythmus gut gefiel, entschied ich mich für die Kür, in der es für die Trabphasen ausgewählt worden war. Obwohl es sich natürlich um eine Instrumentalversion handelte, trällerte ich den Refrain laut und fröhlich, weil ich meiner guten Laune und meiner Erleichterung einfach Luft machen musste: I wonder how, I wonder why Yesterday you told me 'bout the blue blue sky And all that I can see Is just a yellow lemon tree I'm turnin' my head, up and down I'm turnin', turnin', turnin', turnin', turnin' around And all that I can see Is just another lemon tree Die Aufgabe ließ sich leicht lernen und sie schien mir nun auch nicht so sehr anspruchsvoll zu sein, aber trotzdem dachte ich mir, dass es besser wäre, sie bis zum Turnier regelmäßig zu üben, was natürlich, weil ich die Musik auch immer laut vom Band dazu laufen ließ, auch in Ircos Ohren ankam und weil er im Auswendig lernen fast noch besser war als ich, wusste er beim dritten Mal schon ganz genau, wo die Trabreprise endet und wo galoppiert wird. Durchzuparieren zum Schritt konnte ich mir in der fünften Übungsstunde sparen, denn das machte er ganz von alleine. „Ich bin wirklich froh, dass ich mich auf Dein Gedächtnis verlassen kann, Irco, denn eigentlich steht unserer Platzierung nichts im Wege, außer dass ich mich verreiten würde, aber Dank Dir, ist auch das kein Problem, weil Du die Aufgabe schon besser kennst als ich.“ Als wir am großen Tag auf den Turnierplatz kamen, war ich so entspannt, wie selten zuvor und ich hatte das ganz sichere Gefühl, dass die Schleife mir noch nie so zum Greifen nah war wie heute. In der Startfolge lagen wir ziemlich weit hinten und darum sahen Micha und ich uns noch ein paar Vorführungen der Konkurrenz an, als die Prüfung begann. Das Ave Maria war auch wieder dabei und ich kann nicht behaupten, dass ich es nicht verstand, denn: „never change a winning team!“ und da sie schon so oft mit dem Kirchlichen Gesäusel im Background gewonnen hatte, wechselte sie natürlich weder das Lied, noch die Strategie, aber heute, dachte ich mir, musst Du Dich warm anziehen, Mädchen, denn heute sitzt mein Mützchen mir nach Sieg! Dann ritt das nächste Paar in die dezent dekorierte Halle ein, um sich dem Urteil der Richter zu stellen und als die ersten Takte der Musik erklangen, stockte mir fast der Atem, denn es war der Lemon Tree! Nun gut, dachte ich mir, sie ist als zweite gestartet, die Richter sind nicht mehr ganz jung und hoffentlich ein bisschen altersdebil und mit Glück ist der Erkennungswert ein Geringer, bis ich fast zum Schluss mit der gleichen Kür einreite. Die Reiterin erhielt sehr gute Noten und das versöhnte mich wieder mit meinem Entscheid, den ich schon fast zu bereuen begann. Dann ritten Nummer drei und vier ein und auch wenn sie sich für eine andere Variante entschieden als ich, so war es unverkennbar eine Kür von der CD, die ich auch gekauft hatte – wie konnte ich auch nur so doof sein, zu glauben, dass ich allein diese Idee gut fand, zu einer Kür aus der „Konserve“ zu reiten? Die fünfte Starterin sorgte wieder für ein Deja vu bei Micha und mir und während ich stöhnte: „Der Zitronenbaum!“, meinte er: „Wir hätten es doch selber machen sollen, wie immer, denn vielleicht trafen wir damit nicht den Geschmack der Richter, aber wenigstens waren wir einzigartig.“ Aber zumindest vergaßen die Richter nicht, dass ihnen die Choreographie und die Musik bei der ersten „Zitronenbaum-Reiterin“ gut gefallen hatte, und so vergaben sie auch nun wieder gute Noten, was mich wieder hoffen ließ. Als ungefähr beim zehnten Einritt wieder „mein“ Lied durch die Lautsprecher dudelte, konnte ich nur noch auf Alzheimer bei den Richtern hoffen und vermutlich hätten sie selbst dann erkannt, dass sie „den Zitronenbaum“ irgendwann in der letzten Stunde schon einmal gehört hatten. Die Noten begannen nun auch erstmals unter dem Eindruck der „Plagiatreiterei“ schlechter zu werden und ich gewann den Eindruck, dass es ihnen ging wie dem Lehrer, bei dem vielleicht nicht das hellste geistige Licht leuchtete, aber der bei der dritten exakt identischen Klassenarbeit auch nicht mehr an einen Zufall glauben mag und merkt, dass alle voneinander abschrieben und folglich dafür anfängt Sechsen zu verteilen. Als wir zu Irco gingen, um ihn noch einmal überzuputzen und fertig zu machen, verfolgte uns noch einmal „der Zitronenbaum“, denn die Lautsprecher aus der Halle beschallten auch den ganzen Turnierplatz und als wäre vier mal nicht genug, beschallte es auch noch ein fünftes und sechstes Mal meine Runden mit Irco auf dem Abreiteplatz. Unsere Darbietung war dann auch nah an: „Sechs - Setzen!“, denn als ich mit meinem Schecken in die Halle kam, verzogen die Richter schon das Gesicht, denn ein buntes Pferd in einer Dressurprüfung – also das geht ja gar nicht! Wo kämen wir denn da hin, wenn nun nach Friesen, Spaniern und sonstigem Kroppzeug nun auch noch die Indianerpferde den braven Oldenburger Pferden das Viereck streitig machen wollten? Solchen Dreistigkeiten musste man Einhalt gebieten ... und zwar rechtzeitig ... am besten gleich ... oder jetzt! Aber als der „Zitronenbaum“ dann losging, da sahen sie aus, als hätten sie in eine seiner gelben sauren Früchte gebissen, denn die Lippen wurden ganz schmal, der Blick wandte sich angewidert von uns ab und ich glaube, wir hätten uns selbst übertreffen können, was wir gewissermaßen auch taten, denn Irco marschierte wie ein Glöckchen, denn schließlich kannte er das Programm in- und auswendig und ich verritt mich noch nicht einmal, aber zuerst der Schecke und dann auch noch der siebte Zitronenbaum – da musste man schon als Reiter Verständnis für aufbringen, dass sich ihr Gesicht von sehr säuerlich nun zu super sauer veränderte, denn dass Zitronenmaß war halt irgendwann einmal auch bei ihnen voll. Wobei ich aber auch sagen muss, dass die anderen beiden Kürvorschläge auf der CD sich auch sicher drei bis viermal wiederholten, aber das fiel wohl nicht so auf und dabei ging es halt auch nicht um saure Zitronen. Mir taten ja die letzten drei Reiter leid, die das Ganze auf die (Zitronenbaum)Spitze trieben und die Richter vermutlich in den Wahnsinn, denn wenn die Hälfte der Teilnehmer die gleiche Kür reiten, dann kann man ja auch schon mal einen Ohrwurm bekommen und vermutlich ließen die Herren Juroren nach diesem Turnier den Verkauf der CD per umgehend gerichtlich erwirktem Gesetzesbeschluss verbieten – obwohl ich sicher bin, dass sie sowieso keiner mehr gekauft hätte, der live dabei war, als fast ein ganzes Teilnehmerfeld einer Prüfung ihr ihren Ritt zugrunde legten, denn im Prinzip hätte man da auch gleich die Aufgabe, welche sich die meisten sowieso aussuchten reiten lassen können und den Richtern wären zehn Zitronenbäume erspart geblieben. Gewonnen hat aber das Ave Maria und lediglich die ersten beiden Zitronenbäume schafften es noch in die Platzierung, während Platz vier und fünf an die Vertreter der klassischen Werke gingen – was mir beweist, dass man halt auch mit dem sonst so Gewöhnlichen durchaus mal in die Liga der Außergewöhnlichen aufsteigen kann und darum reite ich, sollte ich je mal wieder auf die Idee kommen, eine Kür zu nennen und zu starten, dann ganz sicher zu Schwanensee und Nussknacker und hoffe, dass alle anderen sich die CD mit dem Zitronenbaum im Reitsportgeschäft kaufen.
_________________________________________________
Geh Wege, die noch niemand ging, damit Du Spuren hinterläßt und nicht nur Staub Antoine De Saint-Exupéry
Tolle Geschichte! Könnte mich wegschmeissen vor Lachen. Jetzt weiß ich auch wieder,warum ich die Kür nie genannt habe, obwohl ich oft überlegt habe. LG Tanja